Montag, 9. November 2015, 18:30 Uhr: Vortrag
Hans Jakob Oeri und die Schweizer Kunst im 19. Jahrhundert
Bahnhof Buffet HB Zürich, 1. Stock, Raum Les Trouvailles
Nur einigen Museumskonservatoren, Privatsammlern und leidenschaftlichen Forschern der Zürcher Gesellschaft ist Hans Jakob Oeri (1792–1868) ein Begriff. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Künstler ist bereits ein Jahr nach seinem Tod gleichsam stehen geblieben. Dies, obwohl er zu seinen Lebzeiten nicht nur in seiner Heimatstadt, sondern auch in Frankreich, Deutschland und Russland Ansehen und Wertschätzung genoss und seine Werke noch heute zu den qualitätsvollsten und innovativsten der Schweizer Kunst des 19. Jahrhunderts zählen. Sein Name erscheint in den Schriften bedeutender Persönlichkeiten wie des Altertumsforschers und Gründers der Antiquarischen Gesellschaft („Gesellschaft für vaterländische Alterthümer“) Ferdinand Keller und des Schriftstellers Stendhal; sein Porträt wurde sowohl von seinem Schüler Johannes Notz gezeichnet als auch von seinem berühmten Lehrer Jacques-Louis David in Öl festgehalten. Darin erhält Oeri verschiedene Gesichter. Wir können in Oeris Schaffen drei wesentliche Aspekte unterscheiden, jenen eines akademischen Klassizisten, eines aussergewöhnlichen Historien- und Porträtmalers oder eines „Künstler-Antiquars“.
Wir betrachten Oeri als Zeugen aufschlussreicher künstlerischer und kulturhistorischer Abläufe des Schweizerischen Kunstbetriebs in der Umbruchzeit zwischen Ancien Régime und jungem Bundesstaat. Sein Leben und Werk werden als Indiz für eine grenzüberschreitende Konzeption aufgefasst. Geographische Grenzen überschritt er für seine Ausbildung in Paris und für seine Anstellungen im Russischen Reich. In seinem Gesamtwerk sind Traditionsbrüche und Gattungsüberschreitungen zu beobachten. Neue Stile und Techniken weisen auf ein unkonventionelles Kunstverständnis hin. Diese künstlerischen Phänomene gehen aus einem erweiterten Kunstbegriff hervor, der im Gemälde „Das Pariser Atelier“ kulminiert. Leben und Werk dieses Künstlers stehen im spannungsvollen kunstpolitischen Zusammenhang zwischen Plänen zur Gründung einer Schweizerischen Kunstakademie und der Optimierung eines internationalen Kunsttransfers. Ihre Untersuchung führt zur existenziellen Frage nach den Eigenschaften der noch wenig erforschten Schweizer Kunst des 19. Jahrhunderts.