Montag, 25. November 2013 18:30 Uhr: Vortrag
Zwischen Sehnsucht und Schande.
Bahnhof Buffet HB Zürich, 1. Stock, Raum Alcina
Neun Kinder hat die Stickerin Anna Maria Boxler geboren, sieben von ihnen wurden ihr von den Behörden weggenommen, fremdplatziert oder verdingt. Über fünfzig Mal musste sie in ihrem Leben umziehen, wurde verurteilt wegen Ungehorsam, Abtreibung und Prostitution, war zwischenzeitlich administrativ versorgt. Lisbeth Herger und Heinz Looser verfolgen die Spuren von Anna Maria Boxler, der lange tabuisierten Grossmutter des Historikers Looser. Dieser recherchierte in Kirchen-, Dorf- und Staatsarchiven in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich sowie in den Akten der Armenfürsorge, wo eindrückliche Bittschriften der Grossmutter auftauchten. Die persönlichen Briefe zeigen – ergänzend zu den Behördendokumenten – eine widerständige Stickerin im Kampf ums Überleben und geben einen einzigartigen Einblick in ein Frauenleben aus der Unterschicht. Dramatisch schildert die Autorin Lisbeth Herger die Recherche des Enkels und das Leben seiner Grossmutter. Dabei entsteht das Bild eines zwischen Sehnsucht und Schande verkeilten Lebens in einer Gesellschaft, die Armut als moralisches Versagen verurteilt.
Lisbeth Herger ist Journalistin, Schreibcoach und Biografikerin. Sie arbeitet bei den Parlamentsdiensten des Zürcher Gemeinderates und ist freiberuflich tätig.
Lic. phil. Heinz Looser ist Mediendokumentar, Archivar und Historiker mit Schwerpunkt Sozialgeschichte. Er zeich-net als Autor und Mitherausgeber von Publikationen zur Schweizer Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.