Montag, 25. November 2013, 18:30 Uhr: Vortrag

Lisbeth Herger und Heinz Looser

Zwischen Sehnsucht und Schande.

Ein verwaltetes Leben in Armut am Beispiel der Anna Maria Boxler (1884–1965)

Bahnhof Buffet HB Zürich, 1. Stock, Raum Alcina

Neun Kinder hat die Stickerin Anna Maria Boxler geboren, sieben von ihnen wurden ihr von den Behör­den weggenommen, fremdplatziert oder verdingt. Über fünfzig Mal musste sie in ihrem Leben umziehen, wurde verurteilt wegen Ungehorsam, Abtreibung und Prostitution, war zwi­schenzeitlich administrativ versorgt. Lisbeth Herger und Heinz Looser verfolgen die Spuren von Anna Maria Boxler, der lange tabui­sierten Grossmutter des Historikers Looser. Dieser recher­chierte in Kirchen-, Dorf- und Staatsarchiven in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich sowie in den Akten der Armenfürsorge, wo eindrückliche Bittschriften der Grossmutter auf­tauch­ten. Die persönlichen Briefe zeigen – ergänzend zu den Behörden­dokumenten – eine widerstän­dige Stickerin im Kampf ums Überleben und geben einen einzigartigen Ein­blick in ein Frau­enleben aus der Unterschicht. Dramatisch schildert die Autorin Lisbeth Herger die Recher­che des Enkels und das Leben seiner Grossmutter. Dabei ent­steht das Bild ei­nes zwischen Sehnsucht und Schande verkeilten Lebens in einer Gesellschaft, die Armut als moralisches Versagen ver­urteilt.